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Corona-Krise: Broschüre von LGBTI-Organisationen warnt vor "Retraditionalisierung"

Queere Menschen leiden besonders unter den Auswirkungen der Corona-Krise, so eine neue Untersuchung von deutschen LGBTI-Organisationen.


Die Studie ist ab sofort zum Download erhältlich (Bild: LSVD)

In einer am Donnerstagvormittag veröffentlichten 40-seitigen Broschüre warnen mehrere LGBTI-Organisationen vor besonders einschneidenden Folgen der Corona-Krise für queere Menschen. Das Dokument mit dem Titel "Auswirkungen der Coronapandemie" (PDF) ist von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, dem Bundesverband Trans*, dem Verein Intergeschlechtliche Menschen e. V. und vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland mit Förderung des Bundesfamilienministeriums veröffentlicht worden. Dazu wurde unter anderem eine Online-Befragung unter mehr als 250 queeren Initiativen durchgeführt. Die Initiativen berichten mehrheitlich von zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten für LGBTI, von einer Zunahme von Gewalterfahrungen zu Hause und Stress durch ein queerfeindliches Umfeld. Ein Viertel der Organisationen beobachtet außerdem eine Zunahme von Gewalterfahrungen im öffentlichen Raum. Gewarnt wird auch vor neuen Prioritäten der Politik – speziell das die "Kleinfamiliennorm" wieder eine Rolle spiele und zu einer "Retraditionalisierung" der Gesellschaft führe. So heißt es in dem Bericht, dass in der Pandemie mit den allseits bekannten Corona-Regeln eine "Fokussierung auf die Kleinfamilie und ihre enge biologische Definition" wieder zum Standard werde, was "Menschen mit anderen Lebens- und Familienformen, unter ihnen viele LSBTIQA+", benachteilige. Auch die mit der Krise einhergehende "Unterscheidung in erlaubte und nicht-erlaubte Sexualität" sei problematisch. "Die Folgen etwa auch für ein queeres Verständnis von Sexualität und Identität sind noch nicht abzusehen." Daher wird empfohlen, Infektionsschutzmaßnahmen "an existierende gesellschaftliche Verhältnissen" anzupassen. Gefahr von Rechtsaußen

Zudem bestehe die Gefahr von Rechts: "Rechte Bewegungen nutzen Verunsicherungen und Ängste in der Pandemie, um gegen Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtliche und sexuelle Vielfalt zu mobilisieren." Organisationen wie die Werte-Union oder auch die AfD versuchten "Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit als 'Luxus' zu diffamieren." Dagegen müsse sich die Gesellschaft wehren. BMH-Chef Jörg Litwinschuh-Barthel erklärte gegenüber queer.de, die Broschüre solle Fakten liefern, "die zeigen, welche gravierenden Auswirkungen die Coronapandemie auf LSBTIQA+ hat". Er fuhr fort: "Wenn nicht konsequent durch Hilfsprogramme und mehr politische Aufmerksamkeit gegengesteuert wird, werden wir Jahrzehnte mit den Folgen zu kämpfen haben." Auch aus der Opposition kommen angesichts der Ergebnisse Forderungen an die Politik, die Problematik um LGBTI ernster zu nehmen: "Neben der Krisenbewältigung müssen wir uns auch der Ursachenbekämpfung zunehmender Homo- und Transfeindlichkeit widmen", erklärte etwa Jens Brandenburg, LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Dies könne mit Aufklärung an Schulen und in der Gesellschaft "für einen offeneren Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" erreicht werden. "Nur so können Vorurteile wirksam überwunden werden", ist Brandenburg überzeugt. Bereits in den letzten Monaten hatten mehrere internationale Studien ähnlich schwerwiegende Auswirkungen auf LGBTI festgestellt. Erst Anfang des Monats veröffentlichte etwa die Berliner Charité-Klinik erste Ergebnisse einer Umfrage, wonach die seelischen Folgen der Corona-Krise für queere Menschen besonders ausgeprägt seien (queer.de berichtete). (dk)

Informationsquelle : Queer.de

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